WEH DEM DER AUS DER REIHE TANZT
»Ein fauler Dunst, den wir geatmet, ein hohler Schall, dem wir gelauscht hatten. Was zurückblieb? «lässt Ludwig Harig in seinem Roman »Weh dem, der aus der Reihe tanzt« den Ich-Erzähler fragen. 1990 erschienen, hat der 1927 in Sulzbach geborene Autor aus der Perspektive eines sich erinnernden Erwachsenen seine Kindheit und Jugend während des Nationalsozialismus zu einem Roman verdichtet. Die familiäre und schulische Umgebung, der Wunsch dazu zu gehören, lässt den kleinen Ludwig zum begeisterten Hitlerjungen werden. Dabei greift Harig immer wieder die Gegenwart auf und fragt nach dem Heute. So schildert er die Begegnung mit einem tamilischen Flüchtlingsjungen, den er auf dem ehemaligen Gelände des »Reichsbannerheims« trifft. Am 26. August 1934 fanden sich hier 60 000 Anhänger der Einheitsfront ein, die gegen die Rückgliederung des Saarlandes an Hitler-Deutschland demonstrierten. Aus der Perspektive der Gegenwart versucht Harig sein damaliges Verhalten zu begreifen, reflektiert, dass dem tamilischen Flüchtlingskind die Grauen eines Krieges näher sind als ihm, dessen Kriegserfahrung Jahrzehnte zurück liegt. Denn Krieg und Verfolgung von Minderheiten existieren auch heute noch.
Die Dramatisierung des Romans am Saarländischen Staatstheater greift diese Perspektive auf. Sie zeichnet einige der herausragenden Kapitel von Harigs Roman nach und verknüpft sie mit Filmmaterial aus dem heutigen Sulzbach. Zeitzeugen, Sulzbacher Jugendliche, Menschen aus anderen Kulturen, die inzwischen in Sulzbach eine Heimat gefunden haben, werden interviewt. Wie in Harigs Roman versucht die Inszenierung die Verbrechen der nationalsozialistischen Vergangenheit ins Bewusstsein zu rufen und sie mit der Frage nach dem Heute zu verknüpfen.
Als zweiter Teil der Saarland-Saga beschäftigt sich die Inszenierung mit einem Stück saarländischer Geschichte und fragt gleichzeitig nach Gegenwart und Zukunft des demokratischen Miteinanders.
Inszenierung
Bühnenbild und Kostüme
Dramaturgie und Projektleitung
Licht
»Bis kurz vor Schluss nehmen uns ein famoser Text von Ludwig Harig, zwei spielfreudige Darsteller und dramaturgisch klug gesetzte, an die Wand der sparte4 projizierte Zeitzeugen-Einspieler mit auf eine Reise durch politische und persönliche Historie (…)«
Saarbrücker Zeitung, 16. September 20219, Tobias Kessler
»Mit schauspielerischer Brillanz versprühen Fabian Gröver und Silvio Kretschmer, beide neu im Ensemble, das süße Gift der Verführung auf den sparte4-Bühnenboden, zeigen, wie leicht die Menschen den NS-Machthabern auf den Leim gingen (…)«
OPUS Kulturmagazin, September 2019, Burkhard Jellonek
»Die Zeitzeugenberichte über die historischen Ereignisse gehören zu den eindringlichsten Momenten des Theaterstücks. (…) Ein 90-minütiges, intensives zeitgeschichtliches Panorama – lehrreich, aber nicht belehrend.«
Saarländischer Rundfunk, 18. September 2019, Karsten Neuschwender
»(…) wenn die beiden Protagonisten, gespielt von Silvio Kretschmer und Fabian Gröver, den Kampf um die Saarabstimmung von 1934 schildern, kommt man der saarländischen Geschichte sehr nahe, schaut in Volkes Seele.«
SR3 Saarlandwelle, 14. September 20219, Barbara Grech