Don Carlos
Verdis meistgespielte Oper in Deutschland vor 1933: »Don Carlos«. Und danach: »Aida«. So einfach lässt sich manchmal ein Jahrhundert auf den Punkt bringen. »Don Carlos« passt nun wieder in die Zeit – und wie! Machtspiele des Establishments um König Philipp II., Reformstau und enttäuschte Gefühle vermengen sich zu einem tragischen Cocktail mit tödlicher Wirkung. Elisa-beth, die Prinz Carlos liebt, heiratet aus Staatsräson des-sen Vater. Reformwillige Adelige können sich nicht gegen den allmächtigen Großinquisitor durchsetzen. Komponist Verdi legte seine Oper nach Schillers Drama als großen Politthriller an, der in unseren Tagen als Internet-TV-Serie beste Einschaltquoten liefern würde. Doch das hier ist eben die Oper: Hier wird das Geschehen auf wenige Momente verdichtet und in der Musik – wie durch ein Brennglas – nochmals konzentriert.
Dass Richard Wagner seine Schwierigkeiten mit Verdi hatte, lag auch daran, dass die italienischen Orchester, für die der italienische Kollege komponierte, kleiner warenals die Luxus-Ensembles in Dresden oder München. Gerade deshalb aber wirkt »Don Carlos« so authentisch: Die regierende Kaste wird mit archaischen Bläsercollagen und ohne die samtene Streicher-Seligkeit karg und schroff gezeichnet. Dagegen reicht eine Sologeige aus, um das Sehnen junger Liebender zu seufzen. Gänsehaut kommt eben nicht nur von Pathos, sondern vor allem von Kopfkino. Und hier »sehen selbst die Ohren« mit!
Musikalische Leitung
Sébastien Rouland
Inszenierung
Roland Schwab
Bühnenbild
Piero Vinciguerra
Kostüme
Renée Listerdal
Lichtdesign
André Fischer
Dramaturgie
Frederike Krüger
Einstudierung Chor
Jaume Miranda
Philippe II
Paul GayDon Carlos
Angelos SamartzisSung Min Song
Rodrigue
Michal PartykaLe Grand Inquisiteur
Rúni BrattabergHiroshi Matsui
Un Moine
Felix RathgeberElisabeth de Valois
Leah GordonValda Wilson
La Princesse d'Eboli
Judith BraunThibault
Bettina Maria BauerLe Comte de Lerme
Hei-Chang KimSang Man Lee
Une Voix céleste
Olga Jelinkova»Judith Braun stellt mit ihrer Eboli eine Frau mit schwarzen Seele auf die Bühne, hochdramatisch gesungen, bannend gespielt. Man kann nur den Hut ziehen vor dieser Leistung. Und das gleich noch einmal tun für den Chor und das Orchester. Dirigent Sébastien Rouland und Chorchef Jaume Miranda spornen im Graben wie auf der Bühne zur Höchstleistung an. Das Staatsorchester schwelgt in dunkel-glühenden Abgründen, lässt heroische Klänge wachsen und feiert sakrale Würde. Viele Jahre schrieb und arbeitete Verdi immer wieder an seiner Oper. Rouland und das Staatsorchester lassen es klingen, als könne keine Note anders sein.«
Oliver Schwambach, Saarbrücker Zeitung
»Man muss diese Oper – in französischer Sprache – sehen, nein hören, denn die echte Dramaturgie dieser Inszenierung kommt aus dem Orchestergraben.«
Burkhard Jellonek, Opus Kulturmagazin
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»Was Angelos Samartzis mit seinem Charakter anstellt, ist nichts anderes als eine Meisterleistung (...), der Sopran von Leah Gordon sorgt für Gänsehaut, (...) eine frische Inzenierung, grandiose Darsteller und eine Musik, die unter der Leitung von Generalmusikdirektor Sébastien Rouland gemeinsam mit dem brillanten Orchester zu einem großen Ganzen zusammenwächst. Der Regisseur Roland Schwab hat Don Carlos in die Moderne geholt. Es ist ein Experiment, das Mut erfordert, und es ist eines, das dem Münchner geglückt ist.«
Christian Ignatzi, SR2
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»So entstehen zeitlose Bilder, die den Kern des Stückes freilegen. Bildgewaltiges Theater, das das Scheitern von Menschen in einer von skupellosem Egoismus geprägten Gesellschaft zeigt.«
Karsten Neuschwender, SR Fernsehen (aktueller bericht)
Wer die seit 1884 weltweit gespielte Mailänder Version (...) im Ohr hat, wird deren diskursivere Dramatik, harmonisch reicheren Satz und farbigere Instrumentation vermissen. 1867 klang vieles noch herber, härter, unausgeglichener - was Sébastien Rouland am Pult des Saarländischen Staatsorchesters mit Nachdruck herausgearbeitet. In dieser Fassung ist Verdis Schmerzenskind in Deutschland noch nie erklungen. Saarbrücken beweist, dass sie spielbar ist und eine echte Alternative darstellt.
Uwe Schweikert, Opernwelt