Der Reichskanzler von Atlantis
»Die Toten sind eigentlich nur Gespenster. die neben uns her leben. und darauf warten, dass man sie wieder zum Leben erweckt.«
Der selbsternannte Reichskanzler Fürst Burkhard lebt mit seiner Frau Jutta seinen Traum vom deutschen Reich in den Grenzen von 1871. Er erkennt die Bundesrepublik Deutschland als Staat nicht an und lehnt die Demokratie entschieden ab. Noch beschränkt sich das Reich auf ihre kleine Wohnung inclusive Balkon innerhalb einer gelbmarkierten Grenze, doch auch sein Sohn – so die Interpretation des Regisseurs Thorsten Köhler – hat sich schon an seine krude Ideologie verloren, denn der Junge scheint, von einem dämonischen Geist namens Rudolf von Sebottendorf besessen zu sein. Die Ideologie dieses deutsch-osmanischen Okkultisten und Verlegers speist sich aus einem verschrobenen völkischen Germanenordens – der Thule-Gesellschaft.
Die Absurdität der Lage verschärft sich noch durch den Besuch seines Freundes, dem auf der letzten Versammlung gewählten Reichsinnenminister, den er vor allem als Protokollant seiner Reden benötigt. Gemeinsam schwadronieren sie bei Kaffee und altdeutschen Apfelkuchen über eine Herrschaftsform des Volkes jenseits des bestehenden Grundgesetzes.
Als dann auch noch eine Steuereintreiberin namens Frau Bettina Semmerling die Wohnung aufsucht und die Pfändung des schönen alten Autos droht, gerät das Leben des Reichskanzlers völlig außer Kontrolle… Mit absurder Komik und grotesken Dialogen, die manchmal an Loriot erinnern, beschreibt Björn SC Deigner das Phänomen der Reichsbürger und ihre Verschwörungs-Ideologien und Hinterzimmer-Agitationen. Auf gleichzeitig lustige wie erschreckende Weise wird dabei auch der historische Echo-Raum dieses Gedankenguts und die real existierende Gefahr der Reichsbürgerbewegung beleuchtet, denn nichts entsteht aus dem Nichts...
Für Thorsten Köhler ist es nach der Uraufführung von „Spieler und Tod“ im Jahr 2021 die zweite Auseinandersetzung mit einem Text des Dramatikers und Hörspielmachers Björn SC Deigner (*1983), dessen Hörspielversionen von „In Stanniolpapier“ wie „Die Polizey“ mit der Auszeichnung „Hörspiel des Monats“ von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste bedacht wurden. Außerdem wurde Deigner 2018 zu den Autorentheatertagen am Deutschen Theater Berlin und mehrfach zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen, u.a. mit „der Reichskanzler von Atlantis“.
In der Inszenierung kommen folgende Musiken zum Einsatz:
Richard Wagner: Der Ring des Nibelungen. Dritter Tag: Götterdämmerung (Akt 3 – Siegfrieds Tod)
Richard Wagner: Der fliegende Holländer (Spinnerlied)
Richard Wagner: Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg (Akt III – Pilgerchor)
Richard Wagner. Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg („O du mein holder Abendstern“)
Richard Wagner: Lohengrin (Vorspiel zu Akt III)
Richard Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg (Prélude zu Akt III, „Wach auf!“)
Cass Elliot: Make Your Own Kind Of Music
Im Video »Der Kanzler und Ich«:
Richard Rodgers und Oscar Hammerstein II: Der König und Ich (»Ich pfeife ein frohes Lied«)
Video:
Nina Schopka und Bernd Geiling, Martina Struppek und Mitglieder des Bürgerchores des Saarländischen Staatstheaters
Wir danken dem Landespolizeipräsidium für die Bereitstellung des Dienstfahrzeuges und Martin Straubel für die Einstudierung des Liedes.
Vor der Premiere stellt Chefdramaturg Horst Busch dem Autor des Stückes Fragen zur Entstehungsgeschichte.
Inszenierung und Bühne
Thorsten Köhler
Kostüme
Fabia Greve
Video
Leonard Koch
Dramaturgie
Horst Busch
Regieassistenz
Fred Kakuschke
FSJ
Charlotte Mohr
Dramaturgieassistenz
Natalie Klimpel-Stibbe
Inspizienz
Fred Kakuschke
Der Reichskanzler Fürst Burkhard
Bernd GeilingJutta, seine Frau
Nina SchopkaDer Geist von Rudolf von Sebottendorf
Silvio KretschmerDer Reichsinnenminister
Gregor TrakisFrau Semmerling
Verena Maria Bauer»Der groteske Witz der Farce speist sich vor allem aus dem Kontrast zwischen der Lächerlichkeit des Seins und dem überkandidelten Anspruch, und dafür bürgt ein großartiges Ensemble. In der Titelrolle brilliert Bernd Geiling, der die ganze Fallhöhe der Figur auslotet (..) und in allen Belangen devot von seiner Gattin abhängig ist. Nina Schopka verkörpert diese Märtyrerin grandios als verhärmte Hausfrau.«
Saarbrücker Zeitung, Kerstin Krämer, 03. Juni 2024
»Es ist der klugen und teilweise überzogenen Inszenierung von Thorsten Köhler zu verdanken, das den Besuchern immer wieder das Lachen im Halse stecken bleibt. Nach der wirklich kurzweiligen Aufführung bleibt das schale Gefühl zurück, dass das Absurde eine erschreckende Realität geworden ist«. Mehr hören …
SR2, Corinna Kern, 04. Juli 2024